Leonberg
Putzen statt Pennen
Leonberg – Während andere ihren Silvesterrausch ausschliefen, waren sie schon auf den Beinen: Rund 30 Muslime der Ahmadiyya-Gemeinde kamen in aller Früh am Neujahrstag zusammen, um in Weil der Stadt, Renningen und Leonberg die Hinterlassenschaften der Silvesternacht zu beseitigen. Der traditionelle Kehraus im Rahmen einer bundesweiten Aktion ist nicht nur religiös motiviert, sondern soll auch ein Beitrag zum Gemeinwohl sein.
Das Silvesterfeuerwerk ging bis in die späte Nacht hinein. Doch ans Aufräumen der hölzernen Leitstäbe ausgebrannter Raketen, Böllerreste und Glasflaschen, die an Tag eins nach dem Jahreswechsel den Leonberger Marktplatz in ein Schlachtfeld verwandelt hatten, dachten nur die wenigsten. Was für die einen offenbar eine Mühsal darstellte, war für die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde Renningen eine Ehrensache. Ausgestattet mit Besen, Greifzangen und blauen Säcken rückten die Gläubigen an und brachten die mit Müll übersäten Pflastersteine auf Vordermann.
„Mit dem symbolischen Neujahrsputz möchten wir einen Beitrag für die Gesellschaft leisten und auch zum Ausdruck bringen, dass wir uns der Stadt, in der wir leben, verpflichtet fühlen“, erklärte der Gemeindesprecher Sabahuddin Zia über den Hintergrund der Aktion. Zugleich sei aber auch Sauberkeit an und für sich einer der Grundpfeiler des Islams. Der 28-jährige Renninger war schon seit 6 Uhr auf den Beinen. Bevor es an die Arbeit ging, traf er sich mit anderen Freiwilligen zum gemeinsamen Gebet und anschließendem Frühstück in einer Moschee in Weil der Stadt. Zia ist bei der Aufräumaktion regelmäßig dabei. Sich in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, habe ihn geprägt, daher halte er es für wichtig, dass schon die Jüngsten mitanpacken. „Die teilnehmenden Kinder übernehmen ein Stück weit Verantwortung“, sagte der Renninger, „das kann sich auch positiv auf ihren weiteren Lebensweg auswirken.“
Das ließ sich auch der 15-jährige Mahfooz nicht zweimal sagen. Der Realschüler aus Leonberg krempelte die Ärmel hoch und stand den Großen in Nichts nach. Die kurze Nacht? Kein Problem für den Jungen, der sich auch in Sachen Silvesterfeuerwerk uneigennützig zeigte. „Anstatt das Geld für Böller zu verprassen, spende ich lieber an gemeinnützige Organisationen oder direkt an hilfsbedürftige Menschen“, sagte Mahfooz, der für sein ehrenamtliches Engagement am Neujahrstag von so manchem Mitschüler belächelt wird. Doch das tue seiner Motivation keinen Abbruch. „Ich bin dann mit noch mehr Begeisterung bei der Sache“, sagte der 15-Jährige trotzig.
Die Ahmadiyya-Gemeinde Renningen, die neben der Rankbachstadt auch Leonberg und Weil der Stadt abdeckt und rund 200 Mitglieder zählt, nimmt regelmäßig an der bundesweiten Säuberungsaktion teil. Die Ende des 19. Jahrhunderts in Indien gegründete Religionsgemeinschaft wurde im vergangenen Jahr in Hessen erstmals rechtlich auf eine Stufe mit den Kirchen gestellt. Weil die Anhänger ihren Religionsgründer Mirza Ghulam Ahmad als Propheten verehren, werden sie von Sunniten und Schiiten – sie bilden die beiden größten Glaubensrichtungen im Islam – nicht anerkannt. Besonders in Pakistan werden die Ahmadiyyas von Radikalen verfolgt.
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